Resilienz - Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burn-out

Resilienz - Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burn-out

von: Christina Berndt

dtv, 2015

ISBN: 9783423417822

Sprache: Deutsch

288 Seiten, Download: 1821 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Resilienz - Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burn-out



Hier ist Stärke gefragt


Einfach mal faul sein ist völlig out geworden, Langeweile das Schreckgespenst der Leistungsgesellschaft. »Ich bin ja so im Stress«, ist ein so häufig gehörter Satz, dass ihn schon Kleinkinder begeistert nachplappern. Sie spüren, dass all jene, die dies sagen, irgendwie wichtig und anerkannt sind. Dass aber Faulsein und Langeweile erst neue Kraft und Kreativität zutage bringen, wird gemeinhin ignoriert. Hohes Ansehen erlangt dagegen, wer parallel in Beruf, Partnerschaft und aufsehenerregenden Hobbys Erfolge vorweisen kann.

Dabei schadet ein bisschen Stress gewiss nicht. Er fördert die Leistungsfähigkeit und verschafft letztlich jenes wohlige Gefühl, etwas unter Hochdruck geschafft zu haben. Doch die ständigen überhöhten Anforderungen, wie sie heute in vielen Bereichen des Lebens herrschen, führen auf Dauer zu einem durch und durch negativen Gefühl, das irgendwann gar nicht mehr weichen will. Erfolg kann nicht eintreten, wenn die Ansprüche so hoch sind, dass sie sich kaum erfüllen lassen. Wer psychisch stark genug ist, erlebt den Stress nicht als negativ oder lässt sich davon nicht unterkriegen. Doch wer weniger stabil ist, für den stellen die ständigen Stresserlebnisse schließlich ein Gesundheitsrisiko dar.

Oft schlägt sich das Leiden der Seele zunächst noch mit eher unauffälligen Symptomen auf den Körper und seine Organe nieder: Das Kreuz schmerzt, der Bauch grimmt. Bei anhaltender Ignoranz folgt dann aber oft der psychische Zusammenbruch. Mehr seelische Widerstandskraft brauchen längst nicht mehr nur Manager in besonders hart umkämpften Branchen, die sich täglich gegen Konkurrenten behaupten müssen, oder Menschen, die besonders schwere Schicksalsschläge erleiden. Hohe Anforderungen herrschen überall – am einfachen Arbeitsplatz der Sachbearbeiterin, in der Kleinfamilie, in der Partnerschaft und natürlich auch angesichts von persönlichen Krisen wie Liebeskummer, Arbeitslosigkeit, Geldsorgen, Krankheit, Trauer und Verlust.

Oft reicht die Energie nicht mehr aus, sich neben beruflichen Problemen gleichzeitig auch privaten konstruktiv zu stellen. Depressionen und Burn-out werden längst als Volkskrankheiten angesehen. Gerade an diesen Leiden zeigt sich, dass der Grat zwischen Stärke und Schwäche schmal geworden ist. Viele Menschen suchen ihr Heil in Drogen. Nur mit der abendlichen Flasche Rotwein schaffen sie es noch, sich endlich einmal wohlig und frei zu fühlen.

Man braucht schon ein gesundes Selbstbewusstsein, ein Selbstwertgefühl, das nach Art einer Sprungfeder konstruiert ist, oder wenigstens hilfreiche Techniken, um die ständigen Angriffe auf die eigene psychische Gesundheit abwehren zu können. Das Kapitel verdeutlicht, wie sich unterschiedliche Bedrohungen auf die seelische Gesundheit auswirken, und zeigt Menschen, die es trotzdem geschafft haben, aus den so entstandenen Tiefs wieder herauszukommen.

Der tagtägliche Stress


»Ich bin ja so im Stress.« Heute spricht ihn jeder mindestens einmal pro Woche aus, diesen Satz, den vor 75 Jahren noch niemand kannte. Erst 1936 erfand der in Wien geborene Arzt Hans Selye den Begriff Stress, der uns heute so vertraut ist. »Ich habe allen Sprachen ein neues Wort geschenkt«, sagte Selye am Ende seines Lebens. 1700 Fachartikel und 39 Bücher hatte er da bereits über jenes Phänomen verfasst, das zuvor wissenschaftlich nicht beschrieben worden war. Gleichwohl ist Stress seit der Steinzeit bekannt. Schließlich gab es für Menschen immer schwierige und anstrengende Situationen, und nicht wenige davon waren gewiss schwerer zu ertragen als die Belastungen von heute. Die Verzweiflung bei der erfolglosen Suche nach etwas Essbarem dürfte auf der Skala negativer Gefühle jedenfalls weiter oben liegen als die Sorge, bei einem Vortrag vor großem Publikum zu versagen. Und vor einem angreifenden Säbelzahntiger davonzulaufen schlägt allgemeinem Konsens zufolge den Stresspegel bei der Hetze zur morgendlichen Besprechung.

Genau dafür ist Stress nämlich eigentlich da: dass wir in einer schwierigen Situation schnell handeln, statt uns einfach fressen zu lassen. Dazu steigen Blutdruck und Puls, die Atmung wird schneller. Das Hormon Adrenalin schwärmt aus und sorgt dafür, dass Gehirn und Muskeln gut mit Energie versorgt werden. Der Körper ist bereit zu kämpfen – oder auch zu fliehen. »Stress sorgt dafür, dass wir in den unterschiedlichsten Umgebungen zu Höchstleistungen fähig sind«, fasst es der Biopsychologe Clemens Kirschbaum zusammen. Nur sollten all diese körperlichen Reaktionen möglichst bald auch wieder abebben, wenn die Gefahr vorüber ist.

Heute aber ist Stress Teil des Alltags. »Es gehört fast schon zum guten Ton zu wiederholen, dass man nicht unterbeschäftigt, sondern wichtig sei und viel zu tun habe«, sagt die Psychologin Monika Bullinger. »So wird nicht mehr unterschieden zwischen dem anregenden Gefühl, hin und wieder etwas aus der Puste zu sein, und dem permanent negativen Gefühl, das entsteht, wenn keine Erfolgserlebnisse am Ende der Stressreaktion stehen. Es wird unterschätzt, dass dieser nicht zu bewältigende Stress ein Gesundheitsrisiko darstellt.«

Wenn der Körper andauernd in Alarmbereitschaft versetzt wird, sind die Folgen zunächst oft mental zu spüren: Die Gestressten fühlen sich unwohl, sind ängstlich oder auch traurig. Andere reagieren gereizt und launisch, werden schnell ungerecht. Wer unter chronischem Stress leidet, kann meist nicht mehr zur Ruhe kommen. Phasen ohne Druck findet er fast schon unerträglich. Er hat schlicht verlernt, sich zu erholen. Auf Dauer kommen zu den ersten mentalen Alarmzeichen auch körperliche Probleme hinzu. Welche das sind, kann von Person zu Person extrem unterschiedlich sein. »Jeder hat da seine ganz persönliche Achillesferse«, sagt der Präventionsspezialist Christoph Bamberger. Zum Schluss ist die Last auf der Seele nicht mehr zu leugnen. Dann treten psychische Störungen wie Depressionen oder das in letzter Zeit oft gehörte Burn-out auf, bei dem es sich meist um nichts anderes als eine milde Form der Depression handelt.

Wie stressig aber ist ein voller, fordernder, hektischer Tag? Das erlebt jeder Mensch höchst individuell. Dem Ersten mag es schon zu viel sein, zwei Termine zu koordinieren, der Zweite gerät erst in Bedrängnis, wenn es offenkundig Ärger gibt. Und dem Dritten ist selbst das egal.

Wie viel Stress und Druck ein Mensch empfindet, hängt in erheblichem Maße von seiner psychischen Widerstandskraft ab, die er von Kindesbeinen an entwickelt. Persönliche Eigenschaften tragen ebenso dazu bei wie das soziale Umfeld und die Erziehung. Es gibt aber auch hilfreiche Strategien, die den Umgang mit dem tagtäglichen Stress erleichtern und so die persönliche Widerstandskraft gegen die Unbill des Lebens auch später noch stärken. Zunehmend kommen Persönlichkeitspsychologen nämlich zu dem Schluss, dass unser Wesen weniger in Stein gemeißelt ist, als gemeinhin angenommen wird: Menschen können sich sehr wohl ändern! (Siehe Seite 183 ff.)

Professionelle Anti-Stress-Trainer versuchen ihren Klienten etwas zu vermitteln, was sie »Stresskompetenz« nennen. Die Kursteilnehmer sollen lernen, die verschiedenen Typen von Stress zu erkennen, die ihnen tagtäglich begegnen – den negativen, zerstörerischen Stress ebenso wie den konstruktiven, der einem hilft, schwierige Situationen besser zu bestehen. Denn nur wer den einen vom anderen zu unterscheiden weiß, kann den krank machenden Stress gezielt bewältigen (siehe Seite 214 ff.).

Bei akutem, destruktivem Stress sind Techniken unverzichtbar, die sofort und gleich Entspannung ermöglichen. Viele Trainer setzen auf Entspannungsverfahren wie das Autogene Training oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Andere nutzen fernöstliche Methoden wie Yoga, verschiedene Meditationstechniken, zu denen auch das Achtsamkeitstraining gehört, oder Entspannungsübungen in Bewegung wie beim Qigong und Taijiquan. Und manche Menschen finden auch ihre eigenen, ganz persönlichen Wege – ausgedehnte Spaziergänge etwa oder eine erzwungene Auszeit täglich um 12 Uhr. Welche Methode am effektivsten ist, hängt nicht nur von den aktuellen Problemen ab, sondern auch von den Vorlieben derjenigen, die Hilfe gegen den Stress suchen.

In jedem Fall geht es um Folgendes: Blutdruck, Herzschlag und Hirnströme runter, Gelassenheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden rauf! In welcher Reihenfolge dies geschehen soll, davon haben die Erfinder der verschiedenen Entspannungsverfahren ganz unterschiedliche Vorstellungen entwickelt. So setzen die eher körperlich orientierten Verfahren wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson darauf, dass sich die psychischen Stressvorgänge ändern, wenn man an den körperlichen Funktionen arbeitet. Wer sich so entspannen will, der übt, einzelne Muskelgruppen gezielt anzuspannen und wieder loszulassen. Die Konzentration darauf bringt den Geist zur Ruhe; es ist weder Raum noch Zeit, an die belastenden Aufgaben von morgen zu denken; unweigerlich beschäftigt man sich nur noch mit sich selbst.

Beim Autogenen Training wird versucht, die seelischen Vorgänge zu verändern und dadurch Einfluss auf die Körperfunktionen zu nehmen statt umgekehrt. So betreibt der Gestresste Autosuggestion, indem er sich auf die immer gleichen Vorstellungen konzentriert, die er in Gedanken langsam wiederholt. »Die Arme und Beine sind schwer«, versichert er sich, oder »die Atmung geht ruhig und gleichmäßig«. Wer das mit viel Hingabe immer wieder übt, der kann das eines Tages auch wahr werden lassen. Und wie soll man nebenher noch an das denken, was einen stresst?

Die Gefahr allerdings ist: Sobald man wieder an die noch unerledigten Aufgaben...

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