Handbuch Transkulturelle Psychiatrie (eBook als PDF)

Handbuch Transkulturelle Psychiatrie (eBook als PDF)

von: Thomas Hegemann, Ramazan Salman

Psychiatrie-Verlag, 2010

ISBN: 9783884147412

Sprache: Deutsch

488 Seiten, Download: 2242 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop
Typ: A (einfacher Zugriff)

 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Handbuch Transkulturelle Psychiatrie (eBook als PDF)



Frauen in der Migration (S. 259-260)

Genderspezi?sche Bedürfnisse von Migrantinnen


Gesine Sturm und Marie Rose Moro »Rien n’est vrai que le concret. C’est en poussant le particulier jusqu’au bout qu’on atteint le générale, et par le maximum de subjectivité qu’on touche l’objectivité.«
Michel Leiris

Einleitung: Migration und die Veränderung weiblicher Rollenmuster


Zu Beginn der großen Migrationsströme nach dem Zweiten Weltkrieg kamen vor allem Männer nach Westeuropa, und zwar in der Hoffnung auf eine Arbeit und die Möglichkeit, die Familie im Heimatland zu unterstützen und möglichst bald wieder zurückzukehren. Doch später kamen dann die Frauen im Rahmen der Familienzusammenführung nach und aus dem als vorübergehend geplanten Aufenthalt wurde in vielen Fällen eine dauerhafte Migration.

Diese neue Migrationswelle war auf veränderte Gesetzeslagen in den Zielländern zurückzuführen. Nach Beendigung der Anwerbepolitik für Arbeitsmigranten in den Siebzigerjahren blieb die Familienzusammenführung als einzige Möglichkeit für die meisten Migranten, längerfristige Perspektiven in Westeuropa aufzubauen. Die politischen Einschränkungen der Arbeitsmigration führten daher ganz im Gegensatz zu ihrer Intention im Kontext der Familienzusammenführungen zu einem Anstieg der Immigration.

Die Zielländer dieser großen Migrationsströme nach Europa waren sehr schlecht auf die neue Situation vorbereitet, was vielfältige Probleme nach sich zog. Es fehlte an Wohnraum. Weder das Schul- noch das Gesundheitswesen waren auf diese spezi?schen Herausforderungen eingerichtet. Dies führte in wenigen Jahren zu sozialen Folgen wie Ausgrenzung, Verarmung und Gettoisierung. Frauen waren in besonderer Weise von diesen Ausgrenzungsmechanismen betroffen.

Oftmals waren sie es gewohnt, ihr Familienleben innerhalb einer »Community« zu organisieren. Durch Ausgrenzung und Isolierung innerhalb der Gastgesellschaft blieb die Integration manchmal ober?ächlich und in manchen Familien führte dies sogar zur Verfestigung kultureller Normen und traditioneller Geschlechterverhältnisse, die häu?g im krassen Kontrast zu den parallelen Entwicklungen im Heimatland der Migrantinnen und Migranten standen. Neben der »klassischen« Arbeitsmigration der Sechzigerjahre haben sich seit den Neunzigerjahren neue Formen der Migration ergeben, wie etwa die Migration polnischer Frauen, die ihre Kinder bei den Vätern oder Großeltern zurückließen, um in Westeuropa zu arbeiten.

Gleiches gilt für Südamerikanerinnen oder Rumäninnen in Spanien. Auch hier ist die Situation der Frauen nur dann zu verstehen, wenn der Kontext der Migration und die Umwälzung traditioneller Rollenvorstellungen durch das Migrationsprojekt der Mutter berücksichtigt werden. Wir sehen also, dass uns die Arbeit mit Migrantinnen nicht nur vor die Frage kultureller Differenzen in den Geschlechterverhältnissen stellt, sie konfrontiert uns auch mit dem Thema der kulturellen Komplexität und Veränderung.

Kategorien

Service

Info/Kontakt